Was ist „Hop latent Viroid“ und wo kam es her?
Hop Latent Viroid (HLV, HLVd, HpLVd), wie der Name schon verrät, ist ein Viroid. Es ist angeordnet als eine einzelsträngige, zirkulären RNA, die aus 256 Nukleotiden besteht.
Diese Infektion breitete sich in den späten 1970er Jahren in den Vermehrungs-Unternehmen für Hopfen aus [1]. Die Wissenschaft wurde erst in den 1980ern drauf aufmerksam, als dieses Viroid weltweit in Hopfen nachgewiesen werden konnte [2]. Äußerlich sind an den Blättern infizierter Hopfenpflanzen keine Symptome festzustellen, doch ist das Wachstum und der Ertrag reduziert, sowie verändert sich der Gehalt der Terpene in den Trichomen des Hopfens [3,4].
Warum ist dies nun interessant für uns?
Cannabis und Hopfen gehören beide zur Familie der Cannabaceae, und aufgrund ihrer engen Verwandtschaft kann HLV auch Cannabis- und Hanfpflanzen infizieren.
Doch wo Hopfen nur einen schwachen Krankheitsverlauf hat, ist die Krankheit bei Cannabis vernichtender. Seit wann haben wir nun damit zu tun? Was sind die Symptome? Wie kann man es vermeiden?
HLV Kurz Info:
- HLV braucht keine Wirtspflanze, um zu überleben – es nutzt das Stoffwechselsystem einer Pflanze nur für die Replikation.
- HLV kann in der Wirtspflanze latent (def. latent = vorhanden, aber [noch] nicht in Erscheinung tretend) bleiben und ist daher schwer zu entdecken.
- HLV tötet die Wirtspflanze nicht ab.
Doch wie ist es dazu gekommen, dass Cannabis jetzt mit dem Viroid zu kämpfen hat?
Gute Frage. In den zurückliegenden Jahren sahen wir eine Ausdehnung der Cannabis Industrie in den USA und Kanada. Somit lagen auch mehr Anbauflächen unterschiedlicher Pflanzen Kulturen nebeneinander und es kam zu einem höheren Austausch von Krankheiten [5]. So auch Hopfen und Cannabis. Die Verbreitung von Viren und auch diesem Viroid erfolgt in der Natur meist durch Insekten, welche sich an beiden Pflanzen nähren [6]. Die Übertragung von HLV durch Pollen und folgend Samen wurde 2023 von Atallah et al. [7] nachgewiesen. Es wurden infizierte weibliche Pflanzen mit gesundem Pollen bestäubt, hierbei waren 85% der resultierenden samen auch infiziert. Sie testeten es auch andersherum, eine gesunde weibliche Pflanze wurde mit infiziertem Pollen bestäubt. 55% der resultierenden Samen waren infiziert. Bei Hopfen sind es zum Vergleich ca. 8%. Wir wissen des Weiteren, dass wir den Viroid zwischen den Pflanzen weitergeben können, nämlich bei der vegetativen Vermehrung und der Benutzung von kontaminierten Werkzeugen [8].
Seit wann ist es ein Problem für Cannabis?
Die erste Beschreibung und Diskussion der Krankheit bei Cannabis war 2014 zu finden und spielte sich auf in den Internet-Foren ab. Zu dieser Zeit wurde sie als „duds“ oder auch „dudding disease“ bezeichnet [9]. Graham Farrar von Glass House Farm aus Kalifornien stellte 2017 Symptome an mehreren Cultivar fest. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern von Phylos Bioscience wurde nach der Krankheit gesucht. Die Wissenschaftler konnte 2019 den Beweis erbringen, dass es sich bei den „duds“ um HLV-infizierte Pflanzen gehandelt hat [10,11]. Beeindruckend ist, dass laut einer Studie von 2021 etwa 90 % aller Cannabisanbaubetriebe in Kalifornien positiv auf HLV getestet wurden und 30 % der Pflanzen in jedem Betrieb Symptome einer Infektion mit dem Viroid zeigten [12]. Seit der ersten Entdeckung in Kalifornien dauerte es nicht lange, bis HLV seinen Weg auch weiter nördlich nach British Columbia, Kanada, fand.
Wie sieht eine befallenen Cannabis Pflanze aus und was passiert mit ihr?
Wie bereits erwähnt, verursacht HLV bei infizierten Cannabispflanzen keine sichtbaren Symptome, und unter bestimmten Umständen kann das Viroid wochen- oder sogar monatelang latent bleiben. Wie beim Hopfen zeigen nur manche Cannabissorten HLV-assoziierte Symptome, was bedeutet, dass sowohl die Ausprägung der Symptome als auch die Schwere der Krankheit vom Genotyp abhängen [12].
Bei anfälligen Sorten führt HLV zu Symptomen wie [10, 11, 12]:
- kürzere Internodienabstände
- kleinere Blätter
- Verkümmerung
- Missbildung (äußerlich horizontale Pflanzenstruktur)
- Chlorose
- brüchige Stängel
- verringerte Wuchskraft
- geringere Wasseraufnahme
- reduzierte Blütenmasse und Trichome
Darüber hinaus wiesen Stecklinge von symptomatischen Pflanzen, die zur Stecklings Vermehrung entnommen wurden, eine geringere Bewurzelungsrate auf [10].
In der Blütephase sind die weiteren Symptome erkennbar [5, 12]:
- kleinere Blütenstände
- losere Blütenstände
- Deformation der Blütenstände
- geringere Produktion an Trichomen
Diese Effekte führen zu einem Verlust an Qualität und Ertrag. Durch die geringere Anzahl an Trichomen kann die Cannabinoid und Terpen Produktion um bis zu 50% reduziert sein.
Kann ich meine infizierte Pflanze noch retten?
Kurze Antwort. Nein, aber wenn man es wirklich unbedingt möchte, kann man InVitro-Techniken dafür verwenden. In einer Studie von 2008 mit Hopfen wurde festgestellt, dass die HLV-Konzentrationen in wärmeren Monaten und Klimazonen niedriger sind und in den Wurzeln und unteren Pflanzenteilen höhere Konzentrationen aufweisen [13]. Dies heißt mit anderen Worten, dass in der Spitze bei warmen Temperaturen eine geringere, bis keine HLV-Belastung besteht. Dies hat sich die Dark Heart Nursery genutzt und beschreibt in einem 2019 aufgenommenem Podcast ihr Vorgehen. In ihrem Behandlungsprotocol wird die Pflanze warmen Temperaturen ausgesetzt und eine Meristem Gewebekultur gezüchtet. Sobald die Kultur alt genug ist um getestet zu werden stellt sich raus ob die Reinigung wirklich funktioniert hat [14]. Doch diese Methode benötigt viel Zeit und Aufwand.
Was kann ich nun tun damit mein Garten sauber ist?
Nehme keine Stecklinge an, von denen du nicht zu 100% weißt, dass sie sauber sind. Wenn du dir nicht sicher bist, solltest du deinen neu erworbenen Steckling von deinen anderen Pflanzen isolieren. Sollten Symptome auftreten, während du grade am Growen bist, ist das kritisch. Wenn du mit dem gleichen Werkzeug auch deine anderen Pflanzen bearbeitet hast, ohne es zwischendurch zu sterilisieren oder mit deinen Händen entblättert hast, ohne sie zwischen jeder Pflanze zu waschen, ist die Möglichkeit sehr hoch, dass alle deine Pflanzen gefährdet sind [5]. Der nächste Schritt wäre es sie zu testen. Falls der Test positiv ist, bleibt einem nichts anderes üblich als alle Pflanzen zu zerstören und den Grow von Neuem zu beginnen. Es tut mir leid.
Die gute Seite:
Es gibt noch Grower und Breeder, welche auf ihre Genetiken aufpassen und sauber arbeiten. An diese solltest du dich halten. Beim Kauf eines Stecklings solltest du sicherstellen, dass er sauber ist. Du kannst nach einem Test der Mutterpflanze fragen.
Momentan ist die beste Wahl, um kein HLV zu bekommen eine saubere Arbeitsweise, ein guter Schutz vor Insekten und die Verwendung von Samen von respektierten und transparenten Züchtern.
Dieser Artikel wurde von unserem Gastautor Science Herbalist geschrieben. Die hier geschriebenen Informationen beruhen auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft (26.02.2024). Wenn es neue Erkenntnisse gibt, werden wir versuchen, diesen Blogartikel zu aktualisieren oder einen weiteren zu schreiben.
Quellen:
- BARBARA, D. J., MORTON, A., & ADAMS, A. N. (1990): Assessment of UK hops for the occurrence of hop latent and hop stunt viroids. Annals of Applied Biology, 116(2), 265–272.
- PUCHTA, H., RAMM, K., & SÄNGER, H. L. (1988): The molecular structure of hop latent viroid (HLV), a new viroid occurring worldwide in hops. Nucleic Acids Research, 16(10), 4197–4216.
- BARBARA, D. J., MORTON, A., ADAMS, A. N., & P.GREEN, C. (1990): Some effects of hop latent viroid on two cultivars of hop (Humulus lupulus) in the UK. Annals of Applied Biology, 117(2), 359–366.
- PATZAK, J., HWNYCHOVA, A., KROFTA, K., SVOBODA, P., MAlirova, I. (2021): The Influence of Hop Latent Viroid (HLVd) Infection on Gene Expression and Secondary Metabolite Contents in Hop (Humulus lupulus L.) Glandular Trichomes. Plants. 2021; 10(11):2297
- PUNJA, Z. K. (2021): Emerging diseases of Cannabis sativa and sustainable management. Pest Management Science, 77(9), 3857–3870.
- CROWLE, D. R., PETHYBRIDGE, S. J., & WILSON, C. R. (2006): Transmission of Hop Latent and Hop Mosaic Carlaviruses by Macrosiphum euphorbiae and Myzus persicae. Journal of Phytopathology, 154(11-12), 745–747.
- PETHYBRIDGE, S.J.; HAY, F.S.; BARBARA, D.J.; EASTWELL, K.C.; WILSON, C.R. (2008): Viruses and viroids Infecting hop: Significance, epidemiology, and management. Plant Dis., 92, 324–338.
- LAVAGI, I.; MATOUSEK, J.; VIDALAKI, G. (2017): Other Cocadviroids. In Viroids and Satellites; Elsevier: Amsterdam, The Netherlands, pp. 275–287
- https://www.thcfarmer.com/threads/what-to-do-with-duds.64342/
- WARREN, J.G.; MERCADO, J.; GRACE, D. (2019): Occurrence of hop latent viroid causing disease in Cannabis sativa in California. Plant Dis., 103, 2699.
- BEKTAS, A., HARDWICK, K. M., WATERMAN, K., & KRISTOF, J. (2019): The Occurrence of Hop Latent Viroid in Cannabis sativa with symptoms of Cannabis Stunting Disease in California. Plant Disease.
- ADKAR-PURUSHOTHAMA, C.R., SANO, T., PERREAUL, J-P. (2023): Hop Latent Viroid: A Hidden Threat to the Cannabis Industry. Viruses.; 15(3):681
- PETHYBRIDGE, S.J, FHAY, S., Dez J. Barbara, Kenneth C. Eastwell, Calum R. Wilson. (n.d.). (2008): Viruses and Viroids Infecting Hop: Significance, Epidemiology, and
- Dark Heart Nursery (2019): Dark Heart Nursery Identifies “Dudding” Pathogen – Hop Latent Viroid [Video].